Lebensalltag eines hörbeeinträchtigten Kindes

Teresa Schneider mit Betreuungskind
Lebensalltag eines hörbeeinträchtigten Kindes

Teresa Schneider, Elisabeth Minatti |

Hallo, mein Name ist Michael und ich bin vierzehn Jahre alt. Gleich nach meiner Geburt stellte das Ärzteteam im Krankenhaus fest, dass ich nicht gut hörte. Bald darauf besuchte ich mit meinen Eltern das erste Mal das Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte (LZH) in Dornbirn. Mit nur zwei Monaten bekam ich meine ersten Hörgeräte.

Damit ich von Anfang an mit den Hörgeräten gut hören und sprechen lernen konnte, kam die Frühförderin vom LZH regelmäßig zu uns nach Hause. Sie spielte mit mir, sprach mit meinen Eltern und war bei den Terminen in der Hörtechnik am LZH mit dabei. Am besten kann ich mich an ihre große Tasche erinnern. Ich war immer ganz neugierig, was wohl darin sein könnte. Vielleicht die Spieldose, die Musik macht, wenn man daran dreht?

  • Die Audiopädagogische Frühförderung betreut Familien mit hörbeeinträchtigten Babys und Kleinkindern sowie hörende Kinder gehörloser Eltern. Die Förderung der Hör-, Sprach-, Kommunikations- und Gesamtentwicklung ist alltagsnah und am Umfeld des Kindes orientiert. Eltern, pädagogische Einrichtungen und andere Bezugspersonen werden in die Förderung intensiv mit einbezogen. Unterstützung und Beratung zur optimalen Begleitung eines hör- beeinträchtigten Kindes unter Berücksichtigung seiner besonderen Bedürfnisse nehmen einen hohen Stellenwert ein. Zusätzlich werden in Zusammenarbeit mit der Pädaudiologie des LZH regelmäßige Kontrollen zur Hörgerät- versorgung und -nutzung gemacht.

Cochlea-Implantate

Leider reichten meine Hörgeräte nicht aus, um ausreichend zu hören und später gut lernen zu können. Meine Eltern kamen zum Cochlea-Implantat-Beratungsgespräch ans LZH und entschieden sich dann für die Operation. Das war eine der wichtigsten und besten Entscheidungen, die sie treffen konnten. Mit den Cochlea Implantaten konnte ich dann Dinge hören, von denen ich zuvor gar nicht gewusst hatte, dass man sie hören kann. Voller Neugierde entdeckte ich alle Klänge und Geräusche in meiner Umgebung, lauschte den Stimmen meiner Eltern und probierte Neues aus.

Der Kindergarten im LZH

Es fiel mir allerdings noch lange schwer zu verstehen, was andere sagten und die Wörter wollten nicht so recht aus meinem Mund kommen.  Zu Hause wussten meine Eltern oft nicht, was ich wollte. In der Spielgruppe bei mir im Dorf konnte ich nicht so gut mit den anderen Kindern spielen und zog mich immer ein bisschen mehr zurück. Deshalb durfte ich mit vier Jahren den Kindergarten am LZH besuchen. Hier lernte ich mit anderen Kindern, die auch hörbeeinträchtigt waren, unter ganz besonders guten Voraussetzungen, Sprache zu verstehen und zu sprechen. Besonders gerne mochte ich den Morgenkreis am Montag.

Hier durfte ich mit Hilfe meiner Erlebnismappe, mit Fotos und Bildern vom Wochenende erzählen. Ein weiteres Highlight war der Ausflug am Dienstag. Früh am Morgen zog sich jeder selbst die Matsch- und Regenkleidung an, packte die Jause ein und dann ging es los nach draußen! Da gab es immer allerhand zu sehen, hören, lernen und erleben.

  • Der Kindergarten am Landeszentrum für Hör- geschädigte startet jedes Jahr im September mit sieben bis neun Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren. Alle Kinder sind hörbeeinträchtigt oder stark sprachentwicklungsverzögert. Sie erhalten eine spezielle heilpädagogische Begleitung und Unterstützung zur Ermöglichung von Bildung, Erfüllung der Kindergartenpflicht und Befähigung zur sozialen Teilhabe. Essenziell ist die Reintegration und intensive Zusammenarbeit mit dem Stammkindergarten.

Logopädie, Ergotherapie und Musiktherapie am LZH

Seit dem Kindergarten besuche ich regelmäßig die Logopädie, Ergotherapie und Musiktherapie am LZH. Andere Kinder dürfen auch zur Physiotherapie oder Reittherapie, je nachdem was er oder sie braucht. In der Musiktherapie mache ich am liebsten mit den Instrumenten laut und viel Musik. In der Ergotherapie gibt es die tollste Bohnenwanne zum darin Wühlen. In der Logopädie höre und übe ich am liebsten mit der Handpuppe Schubi, denn sie ist besonders lustig.

Je älter das hörbeeinträchtigte Kind wird, desto wichtiger wird die Logopädie zur Förderung und Weiterentwicklung der Hör-, Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten. Ab dem Kindergarten- und Schulalter stehen vor allem die spezifische Hör- und Sprachtherapie, die Förderung der Schriftsprache und die Verbesserung mund-motorischer Fähigkeiten im Vordergrund. In der Physiotherapie üben die Kinder spielerisch Bewegungen, trainieren Geschicklichkeit, Balance und motorische Fähigkeiten. Die Hippotherapie ist eine physiotherapeutische Maßnahme, bei der das Kind auf dem Pferderücken sitzt und vom im Schritt vorwärtsgehenden Pferd bewegt wird. Die Ergotherapie unterstützt die Wahrnehmung, Bewegung, Aufmerksamkeit, Selbständigkeit und Handlungsplanung der Kinder. In der Musiktherapie wird ein Raum geschaffen, in dem das Kind vertrauensvoll sein Innenleben ausdrücken und sich selbstwirksam erleben kann und dabei durch die Musik sowie die Therapeutin Resonanz erfährt.

Die Schule im LZH

Die Zeit im Kindergarten verging wie im Flug und bald schon war ich bereit für die Schule. Lange haben meine Eltern überlegt, in welche Schule ich gehen soll. Am Ende hatte ich das Glück, weiterhin am LZH bleiben zu dürfen und dort immer noch die Therapien zu bekommen, die ich brauche. Heute bin ich vierzehn Jahre  alt und stolz, wie gut ich mit meinen CochleaImplantaten hören kann. Ich kann mich mit mei- nen Freunden unterhalten, sagen was ich möchte oder auch alleine einkaufen gehen. Trotzdem verstehe ich nicht immer alles ganz so gut, wie ich es gerne hätte und das Sprechen fällt mir manchmal noch schwer. In ein paar Jahren werde ich neue Prozessoren für meine Cochlea-Implan- tate bekommen, die mir das Hören nochmal erleichtern sollen. Ich bin froh, dass ich dann auch als Erwachsener noch ans LZH kommen darf, um in der Logopädie das Hören zu üben.

  • Hörtraining ist für hörbeeinträchtigte Menschen aller Altersklassen gleichermaßen wichtig. Der Bedarf ist immer von der individuellen Situation des Betroffenen und deren Angehörigen abhängig. Mit maßgeschneiderten Förder- und Hörtrainingseinheiten wird nach der Hörgeräteanpassung die Verarbeitung des Gehörten trainiert, um das Verstehen von akustischen Signalen zu optimieren. Ziel ist im Idealfall ein möglichst offenes Sprachverständnis.

Bildquellen

  • Kindergarten: © Teresa Schneider mit Betreuungskind © Nikolaus Walter
Sylvia Stuhlhofer

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